Ein kulinarischer Dialog zwischen Kulturen und Generationen
Es ist ein Gemeinplatz und nichtsdestotrotz eine unumstößliche Tatsache: Der Orient ist seit Menschengedenken mit Träumen und einer so unerklärlichen wie ungebrochenen Faszination verbunden. Starke Bilder erweckt das bloße Wort zum Leben – von der hypnotischen Erotik der Scheherazade, bis zu den in dunklem Ocker schimmernden Wüstendünen über die Kostbarkeiten der unvergleichlichen Textilkunst aus Damaskus und Reichtümer aus Gold und Edelsteinen. Vor allem aber sind die Gerüche Arabiens legendär, ob im schweren Duft von Weihrauch, in der Frische des Jasmins oder in einem ganzen Kosmos aus unzähligen Gewürzen. Diese Welt ist der Schmelztiegel einer Kochkultur, deren Vielfalt und Tiefe komplex und in westlichen Ländern oft nur wenig bekannt ist.
Die Reise, die der Stiebner-Verlag im letzten Jahr mit seiner Reihe veganer Kochbücher angetreten hat und mit Afrika vegan einen charmanten, gewinnenden und erfolgreichen Anfang genommen hatte, setzt sich in weiteren Bänden fort und bringt uns mit Orient vegan an diese Orte der Sehnsucht – einmal mehr mit sprachlicher Unterstützung von eurolanguage Fachübersetzungen, die Übersetzung aus dem Französischen erstellte Martina Schmid.
Kochkunst als Emotion und Vermittlung
Die Geschichte hinter der Entstehung dieses Kochbuchs ist eine sehr persönliche und sie hat andererseits sehr viel mit dem zu tun, was „Übersetzen“ ist. Neben dem Willen, die Esskultur, aus der sie stammt, bekannt zu machen, ist die Absicht der jungen Ikrame el Bouayadi vielschichtiger. Es geht ihr um die Überlieferung alter Koch-Traditionen – zwischen einer Mutter und ihrer Tochter, zwischen Vergangenheit und Gegenwart – und um ihre Überführung nicht nur in die westliche Geschmackswelt, sondern auch in unsere zeitgenössischen Lebensansätze.
Ein anrührender Dialog …
Ist Ikrame el Bouayadi die tatsächliche Autorin des Buches, so führt sie auf jeder Seite ein unsichtbares Gespräch mit ihrer Mutter Fatima, die als Co-Autorin aufgeführt wird. Von ihr kennt sie die Gerichte, die in ihrer Kindheit den Geschmack der Geborgenheit bedeuteten, von ihr erfahren wir in kleinen Info-Kästchen von den Besonderheiten der einzelnen Rezepte und von den Tipps und Tricks, die zu beachten sind. Das Buch wird zur dankbaren Hommage und immer wieder führt der Faden zu Erinnerungen zurück, von denen der Leser instinktiv versteht, wie sehr sie dazu beitragen, Duft, Texturen, Farben und Genuss zu vermitteln und die in ihm die Lust erwecken, die Magie dieser Gerichte selbst zu erfahren.
… malerische Köstlichkeiten …
Die Faszination des Orients spiegelt sich in ihrer ganzen Tiefe im Kaleidoskop dieser Rezepte wider, die behutsam und liebevoll vorgestellt werden – von schlichten aromatischen Vorspeisen und Getränken bis zu der ganzen üppigen Großzügigkeit und Gastfreundlichkeit Arabiens in den zentralen Gerichten. Immer wieder übersetzt die Autorin auch Zutaten, die unter Umständen in einigen Ländern nicht verfügbar sind, in andere, bekanntere und westlichere Produkte, und so wird das Buch zur Brücke zwischen den Erdteilen.
… und ein moderner und gesunder Ansatz für die zeitgenössische Esskultur
Ebenso erfahren die Rezepte trotz ihrer unbestrittenen und feinfühlig detailliert thematisierten Verbindung zur traditionellen arabischen Esstradition und zu ihren religiösen Implikationen eine Neuinterpretation, die sie in unsere Zeit überführt und in die Sprache zeitgemäßen Essverhaltens übersetzt. Hier spielt auch eine Rolle, dass die Autorin sich aktiv für eine gesunde Lebensweise und für vegane Ernährungsformen engagiert.
Orient vegan ist ein ungewöhnliches und reiches Kochbuch: Es vermittelt alte Traditionen arabischer Kochkunst für eine zeitgemäße moderne vegane Ernährung, überliefert persönliche Rezepte und Erinnerungen in eine malerische und für alle nachvollziehbare Geschmackswelt und vollzieht durch einen liebevollen Dialog zwischen Generationen und Kulturkreisen eine faszinierende kulinarische Reise und die perfekte Übersetzung von Gestern zu Heute, von Orient zu Okzident.