Jedes Kind im deutschsprachigen Raum kennt sie: die bunten Eier, die zu Hause selbstgefärbt werden oder im Supermarkt zu kaufen sind. Mittlerweile gibt es davon etliche Variationen, ob mit Schrumpffolie für den Kochtopf, mit Schablonen und Lebensmittelfarben auf pflanzlicher Basis … nicht zu vergessen natürlich die vielen Möglichkeiten, Eier aus Gips, Holz oder Pappe für die Frühlingsdekoration zu bemalen. Wie so oft bringt ein Blick ins Ausland schnell zusätzliche frische Ideen und eröffnet ganz neue An- und Einsichten in eine große kleine Welt.
Die kurze Geschichte einer langen Tradition
Tatsächlich zeugen schon die Anfänge der Eierkunst bereits von Internationalität und Dialog zwischen den Kulturen. Das Ei faszinierte als Ursprung des Lebens und wegen seiner perfekten Form schon in der römischen Antike. Wer eingeladen wurde und es sich leisten konnte, überreichte seinem Gastgeber ein vergoldetes Ei. Im Alten Ägypten wurden Eier ebenfalls zu bestimmten Anlässen verschenkt – aber auch in Persien und China, wo sie rotgefärbt als Glücksbringer betrachtet wurden.
Kunst am echten Ei
Heute noch ist in Ost- und Mitteleuropa das rot gefärbte Ei untrennbar mit dem Frühlingsbrauchtum verbunden und erlebt seit den 1990er Jahren eine lebhafte Renaissance. Die rote Farbe wird hier seit Jahrhunderten durch Auftragen von Lack oder Wachs ermöglicht. Eine besondere Tradition erwuchs daraus in der Ukraine, in Polen und Rumänien. „Pysanky“ heißt diese berühmte Eierkunst, bei der die ausgeblasenen Eier mit gefärbtem Bienenwachs in mehreren Schichten bezogen werden. Muster entstehen durch das sukzessive Abtragen einiger Schichten in unterschiedlicher Tiefe. Das Ergebnis ist ein mitunter kompliziertes Mosaik aus geometrischen Ornamenten, die an Intarsien erinnern, und traditionell mit dem Frühling in Verbindung gebrachten Motiven wie Vögeln, Fischen und Blumen. In den Baltischen Staaten wird diese Technik mit Wachsmalstiften praktiziert, wodurch sanftere, verträumt wirkende Ergebnisse erzielt werden.
Auch sorbische Eierkunst, die Ätz-, Bossier-, Ritz- und Wachsreservier-Techniken kombiniert, findet weltweit Beachtung und Nachahmer. Aus Rumänien kommt die Praxis der bestickten Eier, die in Frankreich viele Anhänger hat. Nicht ganz belegt ist wiederum der Ursprung einer anderen Verzierungsart, um die sich Italien, Dänemark, Frankreich und Deutschland freundschaftlich „streiten“: gravierte und zu spitzenähnlichen Gebilden perforierte Eier.
Das Schenk-Ei der besonderen Art – als Zeichen von Macht und Liebe
War im Alten Rom das Schenken eines vergoldeten Eis gleichzeitig Ausdruck von Wertschätzung und Demonstration des eigenen Reichtums, so fand dieser doppelte Ansatz später weitere ähnliche Umsetzungen. In Frankreich ließ Ludwig XV., der für seine großzügig verteilte Zuneigung für das weibliche Geschlecht bekannt war, für eine seiner nicht minder berühmten Mätressen, die Comtesse du Barry, ein Ei anfertigen, das sich wie ein Medaillon öffnen ließ und einen Cupido in anzüglicher Pose offenbarte. Die Idee wurde zur Mode, der König zum Trendsetter. Aus dieser Geste entstanden insbesondere Porzellan-Eier, die heute noch ein begehrtes Sammelobjekt sind und in England und Dänemark zur Geburt eines ganzen Handwerks führten. Aus Elfenbein geschnitzte und mit Lochmustern verzierte Eier waren im 19. und bis in das 20. Jahrhundert hinein in ganz Europa für das gehobene Bürgertum ein Symbol des Wohlstands. Weniger um Liebe als um Macht und Prunk ging es bei den kostbaren Werken des berühmten Juweliers Fabergé, die an Kunstfertigkeit und Wert heute noch unübertroffen bleiben und als Brücke zwischen der französischen Handwerkskunst-Kultur und dem russischen Zarenreich ein nach wie vor eindrucksvolles Beispiel für die Internationalität von Lebensart und ihre Rolle in der Diplomatie und Völkerverständigung darstellen.
Auch wenn viele Eierkunst-Traditionen ihren Ursprung im östlichen Teil Europas zu haben scheinen, so wird bei einer kleinen Reise rund um das Thema Osterei schnell klar, wie eng verflochten und durchlässig die verschiedenen Formen der Eierverzierung sind. Sie zeigen uns nicht zuletzt, dass unser Planet nicht erst mit der Globalisierung klein wurde und schon sehr lange vom Austausch von Bräuchen, Gewohnheiten und ästhetischen Vorstellungen geprägt wurde – die ganze Welt … in einem Ei.
Wussten Sie übrigens …
… dass das kunstvoll verzierte Ei ein Museum hat und Ei-Künstler in einem Verband, der World Egg Art Association, organisiert sind? https://www.eggartmuseum.com
… dass in Großbritannien und Frankreich viele Zeitschriften nach Ostern ein Bestenliste der schönsten Schokoladen-Eierkreationen veröffentlichen? Hier einige Einblicke:
https://www.glamourmagazine.co.uk/gallery/luxury-easter-eggs
https://parissecret.com/les-plus-beaux-chocolats-de-paques-2022/
… dass bemalte Eier Gegenstand sehr vieler Messen, Ausstellungen und Museen sind?
… dass einige Künstler Buchmalerei-Motive oder berühmte Gemälde auf Eier übertragen?