Foto: @Martina Schmid, eurolanguage / Stift Göttweig, Österreich
Endlich allem entfliehen und richtig, richtig zur Ruhe kommen … Den Stress, die Verpflichtungen, das Handy, die Hektik, den Konsum, die Sorgen vergessen, Zeit zum Nachdenken finden, neue Sichtweisen gewinnen … In unserer modernen Welt sind diese Wünsche immer häufiger geworden, und Pandemie, Krieg und Ängste haben sie übermächtiger und sehnsüchtiger denn je werden lassen. Standard-Angebote der Tourismus-Branche ermöglichen dies zwar in Form von Wellness- und Detox-Urlaub, doch wenden sie sich eher an eine vornehmlich homogene und mehrheitlich weibliche Zielgruppe. Andere, individuellere und differenziertere Formen bieten Klöster an, und sie zeigen dabei eine erstaunliche Kreativität und einen sehr beachtlichen Geschäftssinn.
Zeitgeist als Erbe einer langen Tradition
Dass gerade Klöster am Puls der Zeit sind, mag verwundern, und doch ist es bei genauem Nachdenken fast eine Selbstverständlichkeit: Bereits im Mittelalter waren sie der Ort, an dem neues Wissen unmittelbar vervielfältigt und von dem aus es in die Welt weitergetragen wurde. So waren sie trotz ihrer Abgeschiedenheit und ihrer strengen Regeln und engen moralischen Maßstäbe in vielen Bereichen, darunter Medizin und Ernährung, ein Knotenpunkt und Tor zu Zukunft und Modernität.
Sie bildeten untereinander das, was heute Bildungsnetzwerke genannt würde, und sammelten in ihren Bibliotheken mehr fundierte Informationen, als das Internet je bieten kann. Sie trafen zusammen und pflegten einen regen Austausch, der neben der Auslegung der Heiligen Texte auch ihre zeitgemäße praktische Anwendung angesichts der Veränderungen der Gesellschaft zum Gegenstand hatte – und damit haben sie sozusagen das Bootcamp erfunden. Das politische Geschehen verfolgten sie aktiv und mitunter, wenn auch nicht immer auf rühmliche Weise, mitgestaltend.
Auch heute sind Klöster kein Platz für weltfremde oder -feindliche Geistliche, die ihre Zeit ausschließlich mit Gebet verbringen würden. Sie führen Menschen mit unterschiedlichsten Biographien und Ausbildungen zusammen und stellen auf kleinem Raum ein durchaus getreues Abbild unserer Gesellschaften dar. Klöster sind nicht zuletzt Unternehmen mit Buchhaltungs-, Finanzverwaltungs-, Ankaufs- und PR-Abteilungen, Websites und eigenen Druckereien, und sind auf Instagram vertreten. Sie betreiben Manufakturen für traditionelle Erzeugnisse – von kunsthandwerklichen Produkten bis zu köstlichen Spezialitäten und Spirituosen – und die entsprechenden Online-Shops oder Verkaufsläden. Zudem gehört durch die seelsorgerischen Aufgaben, die die meisten von ihnen wahrnehmen, eine profunde Kenntnis dessen, was Menschen außerhalb ihrer Mauern denken und fühlen und wie sie leben, zu ihren großen Soft Skills.
Unerreichter Ideenreichtum – Kloster-Urlaub für jeden Geschmack
Betrachtet man die Modelle, die dem weltmüden Urlauber angeboten werden, könnte die allgemeine Tourismus-Branche mit Fug und Recht neidisch werden, denn die Ideenvielfalt der Klöster scheint schier unerschöpflich. Es gibt nichts, was es nicht gibt, und jeder Marketing-Berater kann sich vor dieser Agilität, Kreativität und schwerelos natürlich anmutenden Geschäftstüchtigkeit nur anerkennend verbeugen. Die gute Nachricht ist: Es ist nicht notwendig, ein religiöser, gläubiger oder gar spirituell interessierter Mensch zu sein, um Urlaub im Kloster zu machen. Die meisten Stifte und Abteien stehen jedem offen, der dort etwas zu finden hofft. Dies gilt ebenso für Mitglieder anderer Religionsgemeinschaften und für Agnostiker oder Atheisten.
Klosterleben light: Kloster-Hotels mit dem gewissen Plus
Kloster-Urlaub muss keineswegs bedeuten, dass der Gast in einer feuchten kalten und spartanisch eingerichteten Zelle auf einer unbequemen Holz- oder Steinbank unter einer kratzigen Jute-Bettdecke seinen Aufenthalt verbringt. Tatsächlich bieten die meisten Häuser ein gehobenes Ambiente und einen mit guten Hotels vergleichbaren Komfort. In einigen Klöstern sind die Gästeräume in getrennten Gebäudeflügeln untergebracht, was zum einen den Austausch unter den Gästen fördern soll, wenn dieser gewünscht wird, zum anderen eine gewisse Freiheit gewährleistet, ohne dass der Lebensrhythmus der Kleriker gestört wird und der Urlauber seinerseits etwa zum Frühaufsteher mutieren muss, wenn ihm dies nicht liegt.
In diesem Fall geben die gemeinsamen Mahlzeiten mit Mönchen oder Nonnen, individuell verabredete Spaziergänge, Meditationsangebote, Kurse oder zufällige Begegnungen unter den Arkaden des Kreuzgangs oder im Innenhof die Gelegenheit zu fruchtbaren Gesprächen.
In einigen Orten kann das Kloster als Vollpension verstanden werden und als Ausgangspunkt für die Erkundung der historischen Umgebung und der Landschaften der Region dienen. Besonders weibliche Gäste, die alleine reisen und eine sichere Unterkunft in einer geschützten Umgebung suchen, finden daran Gefallen.
Ruhe und Sinn für die Zeit eines Urlaubs
Die häufigste Form des Kloster-Urlaubs verbindet die Suche nach Digital Detox und das Bedürfnis, sich neu zu orientieren, Dinge zu überdenken und zu bewerten, oder Kraft für neue Entscheidungen zu finden.
Neben dem Abgeben von Handy, Notebook oder Tablet, die sicher im Safe verwahrt werden, und der Abwesenheit von Fernsehern in den Zimmern führen viele Wege dorthin.
Der Gast kann sich entscheiden, teilweise am Klosterleben teilzunehmen und das zu nutzen, was ihm gut tut und hilft. Er kann einmalig oder regelmäßig das Gespräch suchen oder außer bei den gemeinsamen Mahlzeiten ganz für sich bleiben. In vielen Klöstern ist eine Mitarbeit in Wäldern, Gemüse-, Kräuter- oder Zier-Gärten, oder kleinere Beschäftigungen in den Werkstätten und Manufakturen oder der Klosterwäscherei möglich. Diese körperliche und praktische Arbeit über einige wenige Stunden am Tag, die auf Wunsch von Gesprächen begleitet oder in Stille ausgeübt werden kann, soll den Geist entspannen und helfen, die Gedanken zu ordnen, die eigenen Werte und Prioritäten zu gewichten, sich selbst (wieder) zu finden. Die Beteiligung an den klösterlichen Tätigkeiten wird gern gesehen, gerade weil sie als Teil des Wertes des Aufenthalts betrachtet wird, ist aber niemals Pflicht, und jeder kann ihnen im Rahmen seiner körperlichen und gesundheitlichen Möglichkeiten, seiner Interessen, Fähigkeiten und Neigungen nachgehen.
Andere Häuser wiederum setzen auf Entspannung und Einkehr durch Kreativität und veranstalten Mal- und Kalligraphie-Stunden oder gemeinsames Musizieren, Chorgebete oder Orgel-Kurse. Weinlese-Urlaub im Kloster ist ebenfalls eine Option.
Ein Aufenthalt in einem Kloster im Ausland kann übrigens die Gelegenheit sein, ohne Lerndruck und in einer geschützten Umgebung in die Sprache und Kultur des Landes einzutauchen und ist daher für Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen eine zu erwägende Alternative. Italien, Kroatien und Frankreich gehören hierbei zu den beliebtesten Reisezielen.
Kloster-Urlaub als Therapie ohne Klinik Die seelsorgerische Ausbildung und Praxis in allen Orden macht die Gastgeber zum idealen Ansprechpartner für Probleme aller Art. Für Familien mit kleinen Kindern ist Kloster-Urlaub zwar nicht geeignet, aber mittlerweile öffnen sich einige Klöster dem Paarurlaub, insbesondere für Paare, die ihre Beziehung vertiefen und verbessern wollen oder wegen bestehender Schwierigkeiten nach einer anleitenden und wohlwollenden Stimme suchen. Auch Trauernde, Menschen mit psychischen Erkrankungen und emotionalen Behinderungen, Burn-out-Patienten finden hier die Unterstützung, die Einsicht und zugleich die Ruhe, die sie brauchen, um ihren Problemen zu begegnen und um zu heilen. Gesonderte Programme wenden sich an jugendliche Straftäter. Bachblüten-, Aromatherapien, Kneippsche Anwendungen, aktive Stressbewältigung, asiatische Kampfsportarten, sowie Yoga, Qigong und Tai-Chi sind weitere der unzähligen Modelle. Nicht zuletzt unter solchen Aspekten wird Kloster-Urlaub auch von Gesundheitsträgern empfohlen.
Spiritualität und Gebet – Klosterleben auf Zeit Für Menschen, die nach religiösen Antworten suchen, gibt es tatsächlich die Möglichkeit, vollständig am normalen Leben des Klosters teilzunehmen. Der Urlauber wird in den Zeitplan einbezogen, steht mit den Mönchen oder Nonnen auf, beteiligt sich an Gebets-, Meditationsstunden und Arbeiten, und beachtet die Regeln, die für alle gelten – gegebenenfalls etwa, auch wenn dies selten der Fall ist, das Schweigegelübde. Dieses Modell eignet sich eher für Menschen, die schon in ihrem Alltag der Kirche zugewandt sind und wünschen, ihren Glauben zu vertiefen, zu befragen oder intensiver auszuleben, und kann sogar als „Schnupper-Angebot“ die Vorstufe zu einem Noviziat bilden.
Wer die Ruhe, die Entspannung, die Kraft und die Bereicherung einmal erlebt hat, die ein Urlaub im Kloster schenken kann, sehnt sich bald wieder danach zurück. So bilden sich einige Klöster, wie Hotels es in der allgemeinen Tourismus-Branche tun, eine Art Stammkundschaft, die sie regelmäßig wieder begrüßen dürfen und die durch Empfehlung weitere Gäste bringt und damit das wirtschaftliche Überleben mancher Gemeinschaften erheblich erleichtert. Das Geschäftsmodell ist also äußerst erfolgreich. Der Kloster-Urlaub hat zudem Suchtpotential: Der Drang ist groß, ein Haus nach dem anderen auszuprobieren – auch in Österreich gibt es viele Angebote – und die verschiedenen Atmosphären kennenzulernen, zu vergleichen, und an jedem Ort etwas Neues zu finden. Angesichts eines immer komplizierteren Alltags und wachsender Sorgen in allen Bevölkerungsschichten dürfte dies ein Wachstumsfaktor fast unbegrenzten Ausmaßes darstellen.
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