Mit der Weihnachtspost ist es so eine Sache. Einige betrachten sie als lästige Pflicht, die lediglich aus Gründen der Höflichkeit nicht ausgelassen werden kann. Andere wiederum sehen darin eine Möglichkeit, vernachlässigte Kontakte wieder zu beleben und sind der Meinung, hier ist eine rasche E-Mail völlig ausreichend. Weiter haben wirklich Freude am Schreiben von Weihnachtskarten und erleben die alljährliche Korrespondenz als eine Gelegenheit innezuhalten und sich bei Kerzenlicht, Plätzchen und einem heißen Getränk in Ruhe ganz und gar gedanklich auf die Person in der Ferne einzulassen, für die der Weihnachtsgruß bestimmt ist. Dann gibt es noch diejenigen, die in Zeiten von Social Media und Video-Chats handgeschriebene Weihnachtskarten absolut 'oldfashioned' und überflüssig finden. Und doch gibt es triftige Gründe, gute alte Weihnachtskarten zu verschicken.
1. Das Ökologische Argument
Papier ist bei weitem nicht so "böse", wie gerne behauptet wird. Wer die Verwendung von physischen Weihnachtskarten aus ökologischen Gründen kritisch hinterfragt, kann ganz beruhigt sein, Für die Herstellung von Papier werden zwar große Mengen Wasser benötigt, allerdings kann dieses Wasser zum einen mit einem relativ geringen Aufwand und oft im Betrieb selbst mechanisch recycelt werden, zum anderen handelt es sich in vielen Fabriken und Papiermühlen heutzutage ohnehin um ökologisch zurückgewonnenes Brauchwasser.
Die Menge Energie, die Internet- und E-Mail-Nutzung dagegen verbrauchen, ist um ein Vielfaches höher, teurer und umweltschädlicher, kann nicht wiederverwendet werden – und in dieser Rechnung sind nicht einmal die Gewinnung der Rohstoffe zur Herstellung von Smartphones, Servereinheiten und Computern oder die ungeheuer aufwändige Kühlung und Klimatisierung der Rechenzentren berücksichtigt.
Im Gegenzug steht es jedem frei, sich für Papierprodukte kleiner handwerklicher Mühlen oder Werkstätten zu entscheiden, die Büttenpapier aus Altpapier, Naturmaterialien oder sogar Kaffee-Abfällen herstellen.
2. Das Seltene ist das Besondere
Gerade weil nur noch wenige Menschen daran denken, „echte“ Weihnachtskarten zu verschicken, nehmen sie einen wesentlich höheren Stellenwert ein, als es in der Vergangenheit der Fall war oder eine virtuelle Botschaft es tun könnte, und dies gilt im Privat- und im Berufsleben. Aus Sicht des Absenders sind sie ein Signal – ob als Zeichen von aufrichtigem Interesse und Zuneigung oder Demonstration des Wunsches, die Dinge anders zu machen, sich von der Masse abzuheben, nicht den einfachsten, sondern den originellsten und individuellsten Weg zu gehen. Weihnachtskarten sind daher nicht zuletzt auch strategisch in der Personen-Marken-Bildung oder im Kleinunternehmen-Marketing sinnvoll, denn sie geben von demjenigen, der sie abschickt, ein konkretes, frisches und dynamisches Bild und vermitteln erfolgreich seine Einzigartigkeit.
Für den Empfänger ist der Erhalt einer Weihnachtskarte aus Papier Teil der Aussage und ergänzt den Text um eine zusätzliche Dimension: besondere Wertschätzung. Was als platte Korrespondenz ausfallen könnte, wird durch die Karte zu einem dezidiert persönlichen Geschenk, durch das der Leser sich zu Recht aufgewertet fühlen darf.
3. Kulturell wertvoll – in zweierlei Hinsicht
Eine sorgfältig ausgesuchte Weihnachtskarte, die den Geschmack des Absenders widerspiegelt, aber denjenigen des Empfängers gleichermaßen miteinbezieht, ist an sich schon Ausdruck von Kultur und Stil. Durch einen durchdachten und handgeschriebenen Text, für den vielleicht sogar ein besonderer Füllfederhalter oder eine elegante Tinte verwendet wird, wird sie zu einem Unikat und somit zu einem Teil dessen, was wir als Lebensart bezeichnen. Im Gegensatz zu den per se flüchtigen virtuellen Medien schaffen Weihnachtsgrüße auf Papier auch Erinnerung und Erinnerungen. Wer schon einmal in einer antiken Kommode oder einem alten Sekretär eine liebevoll aufbewahrte Weihnachtskarte aus längst vergangenen Zeiten entdeckt hat oder die Gelegenheit hatte, in einer Ausstellung oder einem historischen Archiv solche Post aus fernen Jahrzehnten oder Jahrhunderten zu bewundern und zu lesen, weiß, wie anrührend, lebendig nah und kulturgeschichtlich wertvoll solche Zeugnisse sein können.
4. Menschlich wichtig
Gerade dann, wenn es schwer fällt, die richtigen Worte zu finden – und dies ist in diesen letzten Jahren unbestritten der Fall –, sind Weihnachtskarten aus Papier ein wichtiger Anker. Haptik und Motiv tragen dazu bei, sich in den Adressaten hineinzuversetzen, sich die Zeit zu nehmen, das Passende zu schreiben. Unter Umständen können sie sogar als Korrektiv wirken: Wenn es nicht ganz gelingt, den perfekten Ton zu treffen, lassen sie es verzeihen. Weihnachtskarten unterstreichen unser Verhältnis zu Menschen, die uns etwas bedeuten, erheben diese Beziehungen zu etwas Besonderem und Unauslöschlichem, festigen unseren Zusammenhalt und vermitteln eine menschliche Wärme, die gerade in einem seelisch und sozial kalten Winter unersetzlich kostbar ist. Sie geben dem Empfänger auch Halt und Zuversicht, vertreiben in ihrer physischen Präsenz die Einsamkeit.
5. Von anderen Ländern lernen: Großbritannien
In Großbritannien werden Weihnachtskarten bereits in der frühen Adventzeit verschickt und auf einem Möbelstück, einem Kaminsims oder auf einer Schnur an der Wand ausgestellt. Die Karten werden immer wieder – manchmal auch von Besuchern und Gästen – liebevoll betrachtet und gelesen, sorgfältig ins Szene gesetzt und nach dem Jahreswechsel oft aufbewahrt. So verbleibt die Herzenswärme, die mit ihnen ins Haus geweht kam, über die dunklen Wintertage erhalten. Dieser schöne Brauch, der der virtuellen Welt bisher ungebrochen standgehalten hat, könnte auch Teil unserer Lifestyles sein.
Weihnachtskarten sind ein Band zwischen Erinnerung und Hoffnung, zwischen Vergangenheit und Morgen, zwischen Menschen. Sie gehören zu jenen kleinen Dingen, die den großen Unterschied machen, und sind somit so viel mehr als eine überkommene Tradition: Sie sind Stil und Lebensart, Wärme und Einzigartigkeit, Kultur und Kontinuität … und durch nichts zu ersetzen, wenn wir das, was uns ausmacht, nicht verlieren wollen.